Vorsicht, außergewöhnlich steigende Mieten
Zinken 2.0 greift das Prinzip der historischen Geheimzeichen, mit denen sich Bettler, Landstreicher und Tagelöhner seit dem Mittelalter verständigt haben, neu auf. Zinken 2.0 stellt die Frage danach, welche Zeichen und Informationen wir im öffentlichen Raum tatsächlich interessant, hilfreich oder witzig finden würden.
Im Rahmen von Me, Myself & The Media werden wir historische Zinken wiederbeleben, gemeinsam mit Euch neue erfinden und diese schließlich während eines Stadtspaziergangs im öffentlichen Raum sichtbar machen.
Zinken stechen – Workshop zu historischen und neuen Zinken sowie zur Vorbereitung des Stadtspaziergangs, ab Freitag, 25.9, 12:00
Freitag, 25.9, 15:00: Historische und heutige Zeichen im öffentlichen Raum. Einführung mit HybridVideoTracks
Sonntag, 27.9., 14:00, Treffpunkt Spedition: Abzinken – Stadtspaziergang. Mit Kreide und Edding für eine neue Informationskultur. Zinken wir Gentrifizierung, miese Arbeitsbedingungen und schlechten Kaffee einfach ab.
Ein Projekt von HybridVideoTracks
Historisches
Seit dem Mittelalter verständigten sich Fahrende, Bettler, Landstreicher, Gauner, Hausierer, Diebe und Tagelöhner mit eigenen Zeichen, den sog. Zinken. Diese einfachen graphischen Zeichen wurden mit Kreide, Kohle und anderem aufgetragen oder direkt in Türpfosten, Bäume und Zäune eingeritzt. Als mehr oder weniger geheime Zeichen informierten diese über günstige Gelegenheiten zum Betteln, über kostenlose Mahlzeiten oder Schlafplätze und gaben Auskunft darüber, wie man beim Betteln am besten gegenüber den Hausbewohnern auftreten sollte. Man warnte sich vor Polizeibeamten und verbreitete Nachrichten von Verhaftungen, Verrat und anderem. In den USA wurden die Zinken als Hobosigns von Wanderarbeitern, Tramps und Tagelöhnern weiterentwickelt und fanden bis in die 1930er, 1940er Jahre hinein Verwendung. Es gab auch Zinken zur Kennzeichnung bestimmter Gruppen- oder Familienzugehörigkeiten (die als einfache Wappen vielleicht den heutigen Tags entsprechen mögen), der Großteil dieser Zeichen war jedoch durch einen unmittelbaren Informationswert gekennzeichnet: „Achtung, unsicherer Ort“.
Obwohl die Boulevardpresse von Zeit zu Zeit über Zinkenfunde berichtet und diese zumeist in einem rassistischen Diskurs osteuropäischen Diebesbanden meint zuordnen zu müssen, ist der Gebrauch der traditionellen Zinken heute weitestgehend verschwunden.
Gleichwohl gibt es aber auch erste moderne Zinken, wie etwa das sog. Warchalking, mit denen auf offene Wlan-Netzwerke hingewiesen wird.
Welche Zeichen kennzeichnen den öffentlichen Raum heute?
Auch ohne Zinken wird der öffentliche Raum heute mehr den je von den unterschiedlichsten Zeichen durchdrungen. Neben dem Verkehrsschild und anderen Hinweis- und/oder Verbotszeichen okkupiert die Werbung den öffentlichen Raum mit ihren Zeichen. Vom kleinsten Mikroflyer bis zur ganze Gebäude umspannenden Megawerbung ist das Zeichen im öffentlichen Raum vor allen Dingen ein kommerzielles. Dabei geht es selbstredend nicht nur um eine unmittelbare Kaufaufforderung, sondern um eine umfangreiche Imagepolitik, die auf unsere Wünsche, Lebenstile, Träume und Wertvorstellungen abzielt und diese zu besetzen sucht. Jede nicht-kommerzielle Nutzung des Raums durch sich vielleicht nur selbstgenügende Zeichen wird als Vandalismus verfolgt. Da hilft es auch nichts, wenn sich die emsigsten Graffittisprayer oder Streetartists das Label „Kunst“ umzuhängen versuchen. Erst wenn diese Zeichen vom Mainstream aufgesogen und als Werbung millionenfach zurückgesendet werden, sind sie als minoritäre Zeichen akzeptabel. Mehr noch: sie geben der Werbung den so dringend gesuchten Touch von Underground und Subkultur und verweisen somit auf die ungebrochene Faszination, die von dem zunächst unverständlichen, geheimen Zeichen auszugehen vermag.
Zinken 2.0
Mit dem Projekt Zinken 2.0 wollen wir nicht nur an die historischen Bettler- und Gaunerzeichen erinnern, sondern stellen die Frage, welche Informationen und Zeichen wir im öffentlichen Raum tatsächlich hilfreich, interessant oder auch nur amüsant finden.
Anstatt auf das neuste Damenunterhöschen von H&M oder die hippste Ghettostreetwear von Nike aufmerksam gemacht zu werden, würde uns eine Information darüber, ob in einem Haus oder bestimmten Straßenzug die Mieten überdurchschnittlich stark steigen oder ob die Arbeitsbedingungen in einem bestimmten Geschäft oder Unternehmen außergewöhnlich schlecht sind mehr interessieren. Vielleicht ist es aber auch schon hilfreich zu wissen, in welchem Cafe der Latte einfach nicht schmeckt, oder in welchem Supermarkt das Containern immer noch problemlos funktioniert.
Im Rahmen von Me, Myself & The Media werden wir uns in einem Workshop historische Zinken genauer betrachten, gemeinsam mit Euch neue erfinden und diese schließlich während eines Stadtspaziergangs im öffentlichen Raum sichtbar machen.
Natürlich könnt Ihr Euch auch via email und twitter selbst dann beteiligen, wenn Ihr an dem Me, Myself & The Media-Wochenende nicht in Bremen seid. Schickt Eure Vorschläge für sinnvolle neue Zinken als Bilder (gif, jpg) an abzinken.6301@twitpic.com Das Betreff der mail erscheint als Bildunterschrift und sollte die Erklärung des Zinkenvorschlags beinhalten. Die Vorschläge findet Ihr unter: http://twitpic.com/photos/abzinken/ (Die Liste zeigt allerdings nur einen Ausschnitt des Bildes; um das ganze Zeichen zu sehen, müßt Ihr dieses anklicken)